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Freistatt
Freistatt in Niedersachsen war eines der schlimmsten westdeutschen Erziehungsheime in den 60er- und 70er- Jahren. Auch Eckhard Kowalke war als 15-Jähriger für drei Monate in dem Kinderheim, weil er von zu Hause ausgerissen war.
Er erinnert sich noch gut an die tägliche Gewalt: Neuzugängen wurde ein Laken über den Kopf geworfen, sie wurden gefesselt und über ein Waschbecken gebeugt. Die anderen 40 Kinder im Schlafsaal schlugen dann mit Schuhen aufs nackte Gesäß oder vergewaltigten sie.
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Vom 6. Januar 2016. Aus der Redaktion der Eckernförder Zeitung / Zum original Artikel.
Eckhard Kowalkes Kunst bewirkt den Dialog. Eckernförder Zeitung berichtet:
Eckhard Kowalke hat den Aufarbeitungsprozess über die Geschehnisse im Kinderheim Freistatt ins Rollen gebracht. Jetzt stellt er im Museum der Einrichtung dauerhaft aus.
Eckernförde | Eckhard Kowalke ist bekannt als Künstler, der sich das Wort nicht verbieten lässt. Mit seinen teils schockierenden Kunstaktionen zu den geschändeten Kindern in den kirchlichen Heimen zwischen 1945 und 1975 hat er vor sechs Jahren Aufsehen erregt und die Aufarbeitung der Geschehnisse ins Rollen gebracht. Mittlerweile ist der Prozess des Dialogs fortgeschritten: Seine Werke und die seines Kollegen Fredi M. Uhlig werden seit Ende vergangenen Jahres in der ehemaligen Fürsorgeanstalt Freistatt auf Dauer ausgestellt. Somit sind die Kunstwerke nun ein fester Bestandteil des dort eingerichteten Museums.
Freistatt in Niedersachsen war eines der schlimmsten westdeutschen Erziehungsheime in den 60er- und 70er- Jahren. Es war eine Außen-stelle der Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, ein Ausbeutungsbetrieb in der Zuständigkeit der Diakonie. Auch Eckhard Kowalke war als 15-Jähriger für drei Monate in dem Kinderheim, weil er von zu Hause ausgerissen war: Er wollte sich nicht die langen Haare zur Konfirmation schneiden lassen.
Er erinnert sich noch gut an die tägliche Gewalt: Neuzugängen wurde ein Laken über den Kopf geworfen, sie wurden gefesselt und über ein Waschbecken gebeugt. Die anderen 40 Kinder im Schlafsaal schlugen dann mit Schuhen aufs nackte Gesäß oder vergewaltigten sie. „Heiliger Geist“ nannten die Kinder das Einführungsritual. Kowalke ist das erspart geblieben, weil er vom Stubenältesten in Schutz genommen wurde, wurde aber Zeuge unsäglicher Brutalität: War ein Heimkind morgens zu langsam beim Bettenbauen, wurde es von den Diakonen der kirchlichen Einrichtung mit Knüppeln geprügelt. Ein Junge bat beim Essen um ein Stück Butter und wurde vom Saalältesten bewusstlos geschlagen. „Die Gewalt unter den Kindern wurde von den Erziehern gefördert, um die Kinder in Schach zu halten“, so Kowalke. Statt Unterricht gab es Zwangsarbeit: Die Kinder wurden zum Torfstechen und Trockenlegen eines Moores eingesetzt.
„Es war kein Kinderheim, sondern eine Strafanstalt“, sagt der heute 63-Jährige. „Justiz, Politik und Behörden wussten, was dort geschah. Sie haben zusammengearbeitet und einen rechtsfreien Raum geschaffen.“ Viele Opfer seien traumatisiert und hätten ihre Sozialfähigkeit eingebüßt. „Und die Kirche, die für all das Leid verantwortlich ist, hat sich in all den Jahren nicht bewegt.“Doch der öffentliche Aufschrei, den Eckhard Kowalke provozierte, wurde gehört:
Vor drei Jahren bot die evangelische Kirche eine Entschuldigung an: 10.000 Euro in bar plus 10.000 Euro in Sachwerten plus einen Ausgleich der verlorengegangenen Rentenbeiträge. 2005 wurde in Freistatt eine Ausstellung zur damaligen Fürsorgeerziehung eröffnet. „Der Vorstand von ’Bethel im Norden’ hat mit der Neugestaltung der ehemaligen Fürsorgeanstalt Freistatt zu einer Gedächtnisstätte einen Gesinnungswechsel eingeleitet, der sich gradlinig der Vergangenheitsbewältigung stellen möchte“, sagt Kowalke. „Auch die evangelische Kirche öffnet sich der Thematik der ehemaligen Heimkinder, zumindest bei ’Bethel im Norden’. Wir Künstler können uns sehr gut vorstellen, dass Bethel im Norden durchaus eine Vorreiterrolle in Sachen Vergangenheits-bewältigung einnimmt.“
Dazu beigetragen hat auch eine Kinoverfilmung aus dem Sommer 2015, nach der die Verantwortlichen intensive Diskussionen mit ehemaligen Heimkindern und deren Angehörigen führten. „Durch diese positive Entwicklung und den Mut der Verantwortlichen in ’Bethel im Norden’ fühlen wir uns mit dem Wohlwollen dieser Vorreiter verbunden und möchten diesen Fortschritt mit unterstützen. Deshalb bitten wir alle Lehrkräfte an den Schulen in Eckernförde, über eine Klassenfahrt nach Freistatt in Niedersachsen nachzudenken, um die Gedächtnisstätte Moorhort zu besuchen, da sie ein Teil der deutschen Geschichte ist.“
Dort sind unter der Überschrift „Kinder Gottes quälen Gotteskinder“ die Werke von Eckhard Kowalke und Fredi M. Uhlig zu sehen: elf Gemälde, zwei Holzskulpturen, das Mahnmal „Im Namen des Herrn“ sowie zehn themenbezogene Dichtungen auf Leinwand. Die Eröffnung mit anschließender Podiumsdiskussion sei sehr emotional gewesen. „Es standen Leute vor meinen Bildern, die geweint haben“, sagt Kowalke. „Diese Ausstellung hat eine große Bedeutung für viele Menschen.“ Von Wiedergutmachung will der Eckernförder Künstler nicht reden. „Aber es ist eine Anerkennung. Eine Anerkennung, die die Kirche im Süden Deutschlands noch schuldig bleibt.“
> Kontakt Eckhard Kowalke: Tel. 0157/55 16 25 97
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Das ehem. Kinderheim
Eckhard kowalke
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